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Ernst Thomke: Die Schweizer Uhrenindustrie hat den Trend zur Smartwatch versäumt
Ernst Thomke: Die Schweizer Uhrenindustrie hat den Trend zur Smartwatch versäumt

Ernst Thomke: Die Schweizer Uhrenindustrie hat den Trend zur Smartwatch versäumt

Ernst Thomke von 1978 bis 1991 in leitenden Funktionen bei der SMH

Ernst Thomke könnte sich längst auf das Verkosten der Produkte des Walliser Weinguts “Vins des Chevaliers” beschränken, bei dem er im Verwaltungsrat sitzt – aber der heute 77-jährige kümmert sich lieber um neue Techniken für den Zahnersatz. Thomke, der zu den 300 vermögensten Schweizern zählt, ist als erfolgreicher Industriesanierer von Unternehmen wie Motor Columbus, Saurer AG oder Pilatus Flugzeugwerke bekannt und heute Präsident und Aktionär der Metalor Dental Holding in Zug.

Zuvor (1978) war Thomke zum Generaldirektor der ETA SA, die damals mit dem Hersteller A. Schild SA (AS) fusionierte, berufen worden. Die neue ETA stellte in der Folge Innovationen und Verbesserungen in der Quarztechnologie vor und ersetzte die bis dahin vorherrschende Handwerksproduktion durch Automatisierung.

1982 übernahm er als Verwaltungsratsdelegierter die Führung der Ebauches SA und wurde zudem Verwaltungsrat der ASUAG, des Mutterkonzerns der ETA. Unter damaliger Beratung der Hayek Engineering SA des Unternehmers Nicolas Hayek verschmolzen die Uhrenkonzerne ASUAG und SSIH 1983/1984 zur Société Suisse de Microélectronique et d’Horlogerie SA (SMH), der späteren Swatch Group.

Von 1984 bis 1991 stand Thomke der SMH als Generaldirektor vor. Ansehen erwarb sich die SMH, die sämtliche früheren Ebauches-Firmen in ihrer Tochter ETA bündelte, auch mit dem wiedergewonnenen Prestige der Marken Omega, Longines und Tissot. Hinzu kam in der Sparte Mikroelektronik die Fertigung integrierter Schaltungen und Chips. Thomke war auch Mitbegründer und Treiber des Projektes “Swatch”, welches bis heute als Leuchtturm gilt und entscheidend half, die Schweizer Uhrenindustrie aus der Quarz-Krise heraus wieder auf den rechten Weg zu führen.

 

Thomke nimmt die Schweizer Uhrenindustrie ins Visier

Im Interview mit der “Schweiz am Sonntag” führte Thomke aus, dass – bis auf eine Ausnahme – die gesamte Schweizer Uhrenindustrie den Trend zur Smartwatch verschlafen habe.

“Die Ausnahme sei TAG Heuer, die ein interessantes Produkt auf den Markt gebracht habe”, sagt Thomke. Smartwatches würden nicht erst zum Erfolg, sie seien schon heute einer. “Vor fünf Jahren habe ich eine Prognose zu deren Verkaufszahlen gewagt – diese ist bei weitem übertroffen worden”, formulierte der ehemalige Uhrenmanager.

“Die wichtigsten Funktionen, die wir tagtäglich Dutzende Male brauchen, lassen sich am Handgelenk schneller und viel einfacher erledigen, erklärt der ehemalige Chef der SMH. “Deshalb glaube ich, dass einige Funktionen ans Handgelenk wandern werden.”

Mit der Weigerung der Branche, in den Markt für intelligente Uhren zu drängen, würde die industrielle Basis und auch die Führungsposition im elektronischen Bereich geschwächt. An eine Krise der Schweizer Uhrenindustrie wie in den Achtzigerjahren glaubt Thomke deswegen jedoch nicht.

Im Luxussegment habe die Schweiz eine ausserordentlich starke Position und werde diese auch behalten. Die Hersteller hätten in diesem Segment eine Stellung aufgebaut, die man schon fast als monopolistisch bezeichnen könne. “Ihr Marketing und ihr weltweites Netzwerk an eigenen Verkaufsstellen macht es für Konkurrenten sehr schwierig. In die Luxuskanäle kommen sie oft gar nicht hinein”, sagte Thomke, der 1991 bei der SMH ausschied, nachdem Nicolas Hayek als Verwaltungsratspräsident die bestimmende Kraft des Konzerns geworden war.

 

Die wirklichen Innovationen fehlen

Für bedenklich hält der ehemalige Uhrenmanager auch, dass die Profitabilität durch Preissteigerungen zwar erhöht, aber kaum noch in die industrielle Basis investiert wird. Die Schweizer Uhrenbranche habe den Massenmarkt als auch die wirkliche Innovation mehr oder weniger aufgegeben.

“Man verkauft heute fast die gleichen Uhrwerke wie vor dreissig, vierzig Jahren”, konstatiert Thomke. “Dabei wurden etwa die ersten digitalen Uhren hierzulande gebaut; Speicher, die Daten auch ohne Stromversorgung erhalten konnten; und die Schweizer waren in der automatischen Spracherkennung ganz vorne dabei.

Nun scheint es tatsächlich so, dass die Schubkraft, all das am Leben zu halten und konsequent weiterzuentwickeln abhanden gekommen ist. Die unumkehrbare und rasch voranschreitende Digitalisierung wird heute von ganz anderen Unternehmen getragen. Die Schweizer Uhrenindustrie spielt in diesem Zusammenhang mit Ausnahme von TAG Heuer (und Frédérique Constant mit der Horological Smartwatch, Anm. d. Red.) bislang keine nennenswerte Rolle.

In ein ähnliches Horn blies bereits vor gut einem Jahr der damalige Miterfinder und Entwickler der preiswertigen und überaus erfolgreichen Swatch Plastikuhr, Elmar Mock. Die Branche habe die Bedrohung durch die neuen Entwicklungen unterschätzt, erklärte Mock: “Alle guten Uhren, die irgendwo zwischen 500 und tausend Franken kosten, sind wirklich in Gefahr”, führte er damals aus. Er sehe eine “Eiszeit” für die Schweizer Uhrenhersteller kommen.

Ob die Schweizer Uhrenindustrie ihre starke Position allein über das High-End Luxussegment langfristig wird behaupten können, bleibt somit die Frage.

Ähnlichen Fragestellungen sehen sich womöglich aber auch die deutschen Uhrenhersteller ausgesetzt. In Sachen intelligenter Uhren tut sich in Deutschland derzeit noch weniger wie in der Schweiz. Das wirft zusätzliche Fragezeichen auf. Zum einen sind in Deutschland Volumenhersteller wie Junghans oder Junkers/Zeppelin in einem Preissegment aktiv, welches lt. Elmar Mock als zumindest als gefährdet einzustufen ist, zum anderen bekommen die Hersteller von teuren Luxusuhren die aktuelle Kaufzurückhaltung ebenfalls zu spüren. Die Lagerbestände sind hoch, der Kampf um Marktanteile ist bereits entfesselt.

 

Links und Quellen:

 

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