Die Situation im Oktober 2016
Der am 22.11.2016 veröffentlichte Bericht des Verbandes der Schweizer Uhrenindustrie (La Fédération de l’Horlogérie Suisse ) für den Monat Oktober 2016 zeigt leider nicht die von vielen herbeigesehnte Trendwende. Ganz im Gegenteil. Dieser auch als Indikator für das bevorstehende Weihnachtsgeschäft wichtige Monat hat es in sich und ist mit einem Minus von über 16% der schlechteste des gesamten Jahres 2016 . Im Mittel über die bislang abgelaufenen 10 Monate liegt der Rückgang der Schweizer Uhrenexporte nun bei – 11%. Wird der Export von Uhrwerken an Drittkunden betrachtet, so beträgt die Einbuße dort sogar – 14%.
In Zahlen ausgedrückt heißt dies, dass der Export von Schweizer Uhren im Oktober 2016, verglichen mit dem Vorjahresmonat, um 1,88 Mrd CHF auf 1,58 Mrd CHF (-300 Mio CHF) zurückging. Die Abwärtsspirale nimmt damit wieder dramatisch an Fahrt auf.
Die einzelnen Märkte verhalten sich, wie bereits in den Vormonaten, in hohem Maße unsymmetrisch. Der Markt in Hong Kong ist nach wie vor extrem geschwächt (- 21,5%). Aber auch der Markt in den USA kippt entgegen den positiven Trends der Vormonate wieder weg (-16,5%). Das Wachstum in UK hält zwar an, schwächt sich jedoch gegenüber dem Vormonat September ebenfalls wieder deutlich ab (von + 32% auf jetzt + 9%). China stabilisiert sich hingegen zusehends und dreht wieder leicht ins Plus (+2,8%). Japan (-14%) und Italien (-11,5%) sind ausgesprochene Sorgenkinder.
Aber auch die so wichtigen Märkte Deutschland (-25%) und Frankreich (-30%) verschlechtern sich dramatisch und brechen im Monat Oktober mehr oder weniger zusammen.
Die Entwicklung der wichtigsten Absatzmärkte im Oktober 2016
Die wichtigsten Länder (TOP Six), mit den größten Handelsvolumina reihen sich wie folgt auf.
Länder | Mio. CHF | Veränderung in % | Anteil in % |
Hong Kong | 206,0 | -21,5% | 12,30% |
USA | 197,4 | -16,5% | 11,80% |
China | 125,7 | +2,8% | 7,50% |
Vereinigtes Königreich | 120,8 | +9,0% | 7,20% |
Japan | 108,7 | -14,0% | 6,50% |
Italien | 105,8 | -11,5% | 6,30% |
Summe der 6 Länder | 864,5 | -11,6% | 51,60% |
Entwicklung auf den TOP 10 Absatzmärkten ab 2014
Zur besseren Übersicht haben wir eine Grafik angefertigt, die die Entwicklung der Exporte auf den 10 wichtigsten Absatzmärkten in den Jahren 2014, 2015 und 2016 darstellt. Die Betrachtung bezieht sich jeweils auf den Zeitraum Januar – Oktober der genannten Jahre.
Die Implosion des überhitzten Marktes in Hong Kong seit 2014 ist in der Grafik anschaulich zu erkennen. Damit ist der Markt Hong Kong jetzt wieder auf Höhe der USA angekommen. Der einzige Markt, welcher sich über den Betrachtungszeitraum gesehen deutlich verbessern konnte, ist UK (Vereinigtes Königreich). Ansonsten dominiert der Abwärtstrend.
Die Entwicklung des Absatzes in einzelnen Preisgruppen
Die Zahlen für Oktober 2016 (alle Preise in CHF) sind, anders als in den Vormonaten, dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr nur das Einsteiger- und Luxussegment von den Rückgängen betroffen ist, sondern jetzt auch die mittleren Preisklassen erreicht.
Die starken Rückgänge in den unteren Preisklassen machen sich auf die Gesamtheit betrachtet zwar weniger in den Umsätzen bemerkbar, sehr wohl jedoch in den produzierten und ausgelieferten Stückzahlen, so dass insbesondere bei Zulieferern Kurzarbeit, Entlassungen, vor allem von Leiharbeitern und Grenzgängern aus Frankreich, sowie erste Insolvenzen zu beklagen sind.
Da in den einzelnen Preiskategorien die Umsätze und Stückzahlen zwischen den Monaten hohen Schwankungen ausgesetzt sind und sich so kein stabiles Bild erzeugen lässt, haben wir die Monate Januar – Oktober subsumiert und erneut ausgewertet.
Wie in der kumulierten Übersicht gut zu erkennen ist, sind die höchsten Umsatzeinbrüche in der Premiumklasse jenseits der 3000 CHF zu beklagen. Aber im Gegensatz zu den Vormonaten ist der Rückgang jetzt auch bei den mittleren Preisklassen angekommen und deutlich sichtbar.
Sehen wir uns zum Vergleich die für den Export ausgelieferten Stückzahlen an, so ergibt sich folgendes Bild. Der Betrachtungszeitraum hierbei ist, wie bereits zuvor, Januar – Oktober 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
In dieser Darstellung wird überdeutlich, dass die hohen Umsätzen zwar in der Preiskategorie jenseits der 3000 CHF eingefahren werden, die Uhren- und vor allem auch Zulieferindustrie jedoch eine extreme Stückzahlabhängigkeit in der Einstiegspreisklasse 0-200 CHF aufweist. Und gerade hier sind massive Rückgänge zu beklagen, was zu einer Minderauslastung der Fabrikationsstätten führt und damit die Deckung der Fixkosten negativ belastet.
Sehen wir uns abschließend noch den Quotienten aus Stückzahl und Umsatz an, so ergibt sich der durchschnittliche Exportpreis je Kategorie.
In diesem Schaubild wird einmal mehr transparent, wie sehr die Musik in der Schweizer Uhrenindustrie im obersten Preissegment spielt. Jedoch sind die Käufer nicht mehr bereit, jeden Preis zu bezahlen, denn der durchschnittliche Preis je verkaufter Uhr in diesem Segment hat sich gegenüber dem Vorjahr um rund 5% reduziert. Das sind nicht Nachlässe, die der Hersteller seinen Abnehmern gewährt; im Gegenteil, der starke Franken hat vielmehr einen mittleren Preisanstieg um gut 10% verursacht. Nein, die Käufer greifen vermehrt zu günstigeren Modellen. Es muss nicht immer Gold sein, es darf auch wieder Edelstahl oder Bicolor sein.
Das eben Gesagte gilt aber ganz besonders auch für die Preisklasse 200 – 500 CHF. Dort hat sich der durchschnittliche Exportpreis gar um 20% verringert.
Zusammenfassung und Einschätzung
Wir haben es mit einer komplexen Gemengelage zu tun. Einerseits lebt die Schweizer Uhrenindustrie noch einigermaßen gut von ihren Top-Modellen, wenngleich der Käufer auch in dieser Klasse kritischer und zurückhaltender wird und der Markt in Hong Kong zusammenschmilzt. Insgesamt wird in dieser Kategorie aber auf hohem Niveau geklagt und es kann nach den zahlreichen Jubeljahren vermutlich (noch) von einer Beruhigung oder Normalisierung gesprochen werden.
Sehr viel dramatischer ist die Situation jedoch dort, wo höhere oder gar sehr hohe Stückzahlen gefragt sind, um Fabriken auszulasten und Investments in Werkzeuge und Produktionsmittel mit profitablen und damit positiven Geschäftsergebnissen und Kapitalrückflüssen zu belegen. Die Börsenkurse von Swatch Group und Richemont gaben infolge der negativen Ergebnisse sogleich um 3,6% bzw. 2,5% nach.
Die wegbrechenden Stückzahlen in der Einstiegsklasse haben andere Ursachen. Hier wildern die neuen smarten Technologien. Und Hersteller wie Apple, Asus, FitBit, Garmin, Motorola, Samsung oder neuerdings auch FOSSIL gehen aggressiv auf Kundenfang und ziehen das Geschäft mit neuen, attraktiven Modellen an sich. Und wir wundern uns noch immer, dass die Schweizer Hersteller dem nichts Adäquates entgegen setzen wollen. Auch die neue Swiss Made Verordnung ab 2017 wird hierzu keinen positiven Beitrag liefern.
Stand 11/2016