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Stellenabbau, Entlassungen, Proteste, Insolvenzen
Stellenabbau, Entlassungen, Proteste, Insolvenzen

Stellenabbau, Entlassungen, Proteste, Insolvenzen

So sieht leider das vorweihnachtliche Programm in der Schweizer Uhrenindustrie aus. Von der zu dieser Zeit normalerweise einkehrenden Ruhe und Besinnlichkeit können viele Betroffene und deren Familien in den Schweizer Kantonen Jura und Genf sowie angrenzenden französischen Gemeinden nur träumen. Die Kette schlechter Nachrichten reißt nicht ab.

Als Mitte des Jahres die großen Konzerne Richemont und Swatch Group erstmals amtlich verordnete Gewinnwarnungen an ihre Investoren herausgeben mussten, war wohl dem letzten Optimisten klar geworden, dass der Luxusliner vom rechten Kurs abgekommen und in Schieflage geraten ist.

Die Zeichen stehen ja seit mehr als drei Jahren auf Sturm, nur wirklich ernst genommen hat das niemand. Wir fragen uns bereits seit 2012, wer denn bitte all diese neu entstehenden und mit hohem finanziellen Einsatz geschaffenen sogenannten Manufakturkaliber benötigt? Von welcher Nachhaltigkeit und Langfriststrategie im Zeitalter der Digitalisierung werden diese Investments getragen? Wer hat die vielen Gelder hierfür freigegeben? Ein Überangebot zu völlig überhöhten Preisen ist nun das Ergebnis dieser verfehlten Strategie.

Ins Finanzjargon übersetzt würde man von einer Blase sprechen, aus der nun die Luft beginnt zu entweichen. Fragt sich nur in welcher Menge und mit welcher Geschwindigkeit? Die Strömungsgeräusche sind auf jeden Fall nicht zu überhören.

Doch was machten die Verantwortlichen? Leider nicht viel. Die Party auf der Titanic ging zunächst mit unverminderter Freude und Lautstärke weiter. Als dann im Januar 2015 der Kurs des Schweizer Franken zum EURO von der Schweizer Nationalbank freigegeben wurde und um rund 20% nach oben schoss, war argumentativ erstmals und endlich ein Schuldiger ausgemacht. Aber vor der eigenen Haustüre nachsehen und sich überlegen, wo man vielleicht eine gewisse Mitschuld trägt, war selbst zu diesem Zeitpunkt bei so manchem Premiumanbieter immer noch nicht auf der To Do Liste zu finden.

Die von der Fédération de l’Horlogérie Suisse vorgelegten Zahlen für den Export von Schweizer Uhren im Monat Oktober 2016 zeigen ein ernüchterndes Bild: Mit einem Minus von gut 16% der mit Abstand schlechteste Monat des gesamten Jahres! Und das unmittelbar vor Weihnachten, wo doch die Lager nochmals aufgefüllt werden sollten. Nur da gibt es nicht viel aufzufüllen, da noch ausreichend Altbestände vorhanden sind.

Nun erreicht die Krise die Beschäftigten und die Zulieferer der Branche mit ihrer ganzen Wucht. Die Schweizer Lokalpresse berichtet nahezu täglich von Stellenabbau, Entlassungen und ersten Insolvenzen.

Nicht nur bei Cartier, Piaget und Vacheron Constantin geht es jetzt ans Eingemachte. Bei vielen werden Stellen über auslaufende Zeitverträge nicht mehr nachbesetzt. Häufig betroffen sind davon französische Grenzgänger, die täglich zu ihren Arbeitsstätten in die Schweiz pendeln. Das ist weniger medienwirksam und diese Form des Stellenabbaus geht geräuschloser über die Bühne. Für die unmittelbar Betroffenen und deren Familien macht es aber keinen Unterschied; arbeitslos ist arbeitslos.

Und ganz tragisch wird es, wenn erste Firmen mangels Aufträge und Ersatzgeschäfte komplett schließen müssen. So geschehen unlängst mit ISA France und vor knapp einer Woche nun auch bei Technotime im Schweizerischen Brenets; der Zulieferant für hochwertige mechanische Werke. In beiden Fällen haben sich asiatische Investoren zurück gezogen und in Ermangelung positiver Erwartungen weitere Geldspritzen versagt. Jetzt können laufende Zahlungsverpflichtungen nicht mehr bedient werden.

Etwas lautstarker gehen die Gewerkschaften unter dem Motto „Unser Leben ist mehr wert als ihre Profite“ nun auf die Straße und demonstrieren gegen die von der Groupe Richemont auf dem Rücken der Beschäftigten beschlossenen Kosteneinsparungen. In Le Sentier (Vallée de Joux) wurde eine Kundgebung mit 400 Teilnehmern organisiert, die gegen Stellenabbau und für die Erhaltung der Arbeitsplätze demonstrierte. Angesichts des stolzen Gewinns von 2,4 Mrd. CHF aus dem Geschäftsjahr 2015/2016 fordert die Gewerkschaft von der Konzernleitung die sofortige Rücknahme des Restrukturierungsplans.

Diese Resolution wurde zeitgleich auch von 300 Mitarbeitern bei Vacheron Constantin und Piaget vertreten, die sich außerhalb der jeweiligen Firmengebäude in Plans-Les-Ouates (Kanton Genf) versammelt hatten. Die Gewerkschaft forderte auch hier die Rücknahme der Stellenstreichungen und stattdessen die Einrichtung von Kurzarbeit.

Die Fronten scheinen verhärtet und man wird sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Auch vom Umbau des Konzernvorstandes bei Richemont erhofft sich das Unternehmen und die Branche neue Impulse. Der Aktienkurs von Richemont jedenfalls profitiert von diesen Maßnahmen, die Aktie legte wieder etwas zu. So funktioniert Marktwirtschaft. Nur den unmittelbar Betroffenen hilft das rein gar nichts.

 

Quellen:

Ein Kommentar

  1. Pingback: Die Schweizer Uhrenindustrie auf Crashkurs - Uhren-Blog über Design und Technik

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