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Abschlussbilanz 2016: Der Motor der Uhrenbranche stottert weiter
Abschlussbilanz 2016: Der Motor der Uhrenbranche stottert weiter

Abschlussbilanz 2016: Der Motor der Uhrenbranche stottert weiter

Die Situation der Schweizer Uhrenexporte im Dezember 2016

Der am 26.01.2017 veröffentlichte Bericht des Verbandes der Schweizer Uhrenindustrie (La Fédération de l’Horlogérie Suisse ) für den Monat Dezember 2016 zeigt eine weitere Abschwächung des Abwärtstrends, die erhoffte Erholung bleibt mit einem Rückgang von – 5,1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum jedoch nach wie vor aus. Immerhin verlangsamt sich der Abwärtstrend und die Indikatoren deuten darauf hin, dass es 2017 zu einer Stabilisierung der Situation auf einem niedrigeren Niveau kommen und die Talsohle damit vorläufig erreicht sein könnte, zumal in Stückzahl gerechnet, die Stabilisierung bereits eingetreten ist. Das heißt nichts anderes, als dass zwar wieder gekauft wird, aber eben zu niedrigeren Preisen.

In hohem Maße problematisch ist und bleibt der Absatz von Uhrwerken an Drittkunden. Geht das Volumen bei mechanischen Werken um rund 16% zurück, so tritt bei Quarzwerken mit einer Abschwächung auf 6% wieder eine leichte Entspannung ein.

Auf den einzelnen Märkten geht Hong Kong gegenüber USA zwar wieder leicht in Führung, kann sich aber dem Abwärtssog immer noch nicht entziehen. Entgegen dem Trend zum Vormonat zeigt sich in USA diesmal (+10,9%) ein insgesamt erfreuliches Bild. In China stehen die Zeichen ebenfalls auf positiv. Mit einem Zuwachs von 27,6% könnte der Turn-Around geschafft sein. Gleiches gilt für Japan, wo sich ebenfalls eine Stabilisierung abzeichnet. Enttäuschend hingegen der Trend in Großbritannien. Dort legt der Geschäftsverlauf mit -7,9% erstmals seit Monaten wieder den Rückwärtsgang ein.

Auch andere Länder Europa entwickeln sich wenig erfreulich. Deutschland steht mit -3,1% gegenüber Frankreich (-11,9%), Italien (-18,6%) und Spanien (-8,9%) noch vergleichsweise gut da.

 

Die Entwicklung der wichtigsten Absatzmärkte im Dezember 2016

Die wichtigsten Länder (TOP Six) mit den größten Handelsvolumina reihen sich wie folgt auf:

Länder Mio. CHF Veränderung in % Anteil in %
Hong Kong 208,9 -15,7% 12,60%
USA 179,1 +10,9% 10,80%
China 139,6 +27,6% 8,40%
Japan 98,9 +3,9 6,00%
Vereinigtes Königreich 97,1 -7,9% 5,90%
Singapore 92,6 -9,7% 5,60%
Summe der 6 Länder 816,3 -0,7% 49,20%


Entwicklung auf den TOP 10 Absatzmärkten im Zeitraum 2014 – Ende 2016

Zur besseren Übersicht schreiben wir eine Grafik fort, die die Entwicklung der Exporte auf den 10 wichtigsten Absatzmärkten in den Jahren 2014, 2015 und 2016 darstellt. Die Betrachtung bezieht sich jeweils auf den Vergleichszeitraum Januar – Dezember der Jahre 2014, 2015 und 2016.

Zeigen die einzelnen Monate in den verschiedenen Märkten über das Jahr gesehen zum Teil erhebliche Unterschiede, so kann eine wirklich valide Beurteilung nur über den Betrachtungszeitraum des gesamten Jahres erfolgen. Die nun vorliegenden endgültigen Zahlen 2016 zeichnen erwartungsgemäß kein erfreuliches Bild. Die Märkte in Hong Kong und Frankreich sind mit -25% bzw. -20% regelrecht kollabiert. Aber auch die in Deutschland viel gerühmte, angeblich so robuste Konjunktur kommt zumindest an dieser Stelle nicht an. Die Kaufzurückhaltung ist erheblich und schlägt mit -11% sogar noch höher zu Buche, wie im fragileren Italien (-10%). Der einzige Markt unter den TOP 10, welcher sich über das Gesamtjahr betrachtet, gegenüber 2015 leicht positiv entwickeln konnte, ist Großbritannien mit + 3%, was zwar im Gesamtkontext sehr positiv erscheint, absolut gesehen, aber auch keine Sensation darstellt. Es werden eben insgesamt kleinere Brötchen gebacken.


Die Entwicklung des Absatzes in einzelnen Preisgruppen

Die Zahlen für Dezember 2016 (alle Exportpreise in CHF) sind dadurch gekennzeichnet, dass teure Uhren aus Edelmetall erneut zu den Verlieren zählen und erneut die Umsätze auf Talfahrt schickten. Da das Volumen bei hochpreisigen Uhren weniger stark einbrach, ergibt sich daraus das klare Indiz, dass zwar wieder, dafür aber sehr viel preisbewusster gekauft wird. Der Kunde wird zunehmend kritischer und ist nicht mehr bereit, jeden Preis zu bezahlen. Einen starken Rückgang im Umsatz hatte die Preisklasse 0 – 200 CHF zu beklagen. Eine sichtbare Trendwende zeichnet sich hingegen in der Kategorie 200 – 500 CHF ab. Indifferent präsentiert sich die Kategorie 500 – 3000 CHF.

Wie in der kumulierten, über das gesamte Jahr gerechneten Übersicht gut zu erkennen ist, und bereits zuvor angesprochen wurde, sind die höchsten Umsatzeinbrüche mit -12% in der Premiumklasse jenseits der 3000 CHF zu beklagen. Aber auch in den unteren Preisklassen 0-200 CHF und 200 – 500 CHF sieht es mit jeweils -10% nicht viel besser aus. Allein die Preiskategorie 500 – 3000 CHF konnte sich mit einem moderateren Rückgang von -4% besser behaupten.

Sehen wir uns zum Vergleich die für den Export ausgelieferten Stückzahlen an, so ergibt sich folgendes Bild. Der Betrachtungszeitraum hierbei ist, wie bereits zuvor, Januar – Dezember 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Beide Auswertungen zeigen, dass die beherrschenden Umsätzen zwar in der Preiskategorie jenseits der 3000 CHF eingefahren werden, die Uhren- und vor allem auch Zulieferindustrie jedoch eine sehr hohe Stückzahlabhängigkeit in der Einstiegspreisklasse 0-200 CHF aufweist. Und auch hier sind massive Rückgänge zu beklagen, was zwangsläufig zu einer Minderauslastung von Fertigungseinrichtungen führt und die Deckung von Fixkosten erschwert.

Sehen wir uns noch den Quotienten aus Stückzahl und Umsatz an, so ergibt sich der durchschnittliche Exportpreis je Kategorie.

In diesem Schaubild wird deutlich, wie sehr die Musik in der Schweizer Uhrenindustrie im obersten Preissegment spielt. Jedoch hat sich der durchschnittliche Preis je verkaufter Uhr in diesem Segment gegenüber dem Vorjahr um rund 3% reduziert. Es muss nicht immer Gold sein, es darf auch wieder Edelstahl oder Bicolor sein. Das eben Gesagte gilt aber ganz besonders auch für die Preisklasse 200 – 500 CHF. Dort hat sich der durchschnittliche Exportpreis gar um 15% verringert.

Mit anderen Worten: Preiserhöhungen lassen sich am Markt kaum noch durchsetzen. Ausnahmen bestätigen natürlich wie immer die Regel. Aber im Schnitt über das Jahr gerechnet, ist das so. Der Kunde kauft dann entweder gar nicht mehr, was sich in den Rückgängen der Stückzahlen bemerkbar macht, und wenn er denn doch kaufen sollte, so tut er das preisbewusster.


Gesamte Umsatzentwicklung der Jahre 2000 – 2016

Verlassen wir die Betrachtung der einzelnen Monate und sehen wir uns die Entwicklung über einen längeren Zeitraum an. Die Betrachtung der letzten 17 Jahre macht mehr als deutlich, dass es sich es sich aktuell nicht um einen nur kurz andauernden Rücksetzer handelt, wie das zuletzt im Jahr 2009 der Fall war, sondern um einen Prozess, der bereits eingeleitet in 2012 mit einer deutlichen Abschwächung des zuvor fulminanten Wachstums begann. Der Jahresabschluss 2016 entspricht nunmehr nur noch dem von 2011. Keine wirklich gute Leistung in einem Umfeld ansonsten vergleichsweise stabilen Wachstums.

Noch anschaulicher verdeutlicht die nächste Grafik das schwerwiegende Problem des sich bereits seit 2012 abzeichnenden abflachenden Wachstums. Erste Warnsignale waren schon damals zu vernehmen. Gehört haben sie leider nur ganz wenige.


Zusammenfassung und Einschätzung

Die Bilanz des Jahres 2016 ist ernüchternd. Hier gibt es nichts, aber auch gar nichts zu beschönigen. Es gibt kaum ein Produktsegment oder einen Markt (einzige Ausnahme Großbritannien), wo das Geschäft gut oder zumindest zufriedenstellend lief.
Ob für 2017 die erhoffte Besserung eintritt, bleibt abzuwarten und bedarf der Beobachtung. Zu wünschen wäre es, aber nur zu oft ist allein der Wunsch der Vater des Gedanken und das alleine wird nicht genügen.

Ein weiter so, und auf bessere Zeiten hoffen, wird eine nachhaltige Kehrtwende nicht bringen. Der Kunde erwartet zurecht wieder verstärkt „Value for Money“ und ist nicht mehr bereit, jeden Preis zu bezahlen. Ein wohlklingender Name allein genügt nicht, auch der gebotene Inhalt, der geforderte Preis und der Service müssen passen. Hier haben einige Anbieter zweifellos noch Hausaufgaben zu machen.

Auch der Graumarkt bereitet heute – und auch in Zukunft – einem „geordneten“ Geschäftsverlauf mehr und mehr Probleme. Für den findigen Kunden ist es problemlos möglich, per Internet selbst aktuelle und eigentlich gut laufende Modelle von Premiumanbietern mit Preisabschlägen von 20% und mehr ganz einfach zu finden und seriös mit voller Garantie zu erwerben. Von Ladenhütern ganz abgesehen; hier werden nicht selten Abschläge von mehr als 30% geboten. Der Markt ist gesättigt und die über den Bedarf hinaus produzierte Ware findet dann eben mit erheblichen Abschlägen ihren Weg zum Kunden.

Das ist aber gleichzeitig ein schlechter Ratgeber, den Kunden zum Kauf einer teuren Uhr als vermeintlich gute Kapitalanlage zu motivieren. Hier werden sich die Hersteller einiges werden einfallen lassen müssen. Die Durststrecke ist also noch lange nicht überwunden. Auch die jüngst in Genf zu Ende gegangene SIHH hat bereits gezeigt, was Sache ist. Zum einen war der Besucherandrang, soweit man überhaupt noch davon sprechen kann, deutlich zurück gegangen, zum anderen haben sowohl Messeleitung wie auch Aussteller im Umgang mit dem deutlich sensibleren Kunden nicht viel dazu gelernt.

Der Kunde ist wieder der König, nicht der Hersteller oder eine Messeorganisation. Diese Botschaft ist bei manchen Verantwortlichen noch nicht angekommen und auch hierbei hat die SIHH zweifellos Potenzial.

In wenigen Wochen wird sich in Basel zeigen, wie dort die Stimmung sein wird und welche Position der Kunde einnimmt. Eine gewisse Messemüdigkeit ist allerorten auszumachen. Es wäre an der Zeit, dass die Uhrenbranche einmal über den eigenen Tellerrand sieht und sich fragen sollte, wie andere Hersteller von Luxusgütern sich auf die Veränderungen des Käuferverhaltens in einem hochdynamischen Umfeld des sich nahezu täglich wandelnden Zeitgeistes, in einer immer stärker vernetzten Welt einstellen.

Stand 01/2017

 

Der Autor:

Herr Dipl.-Ing. (FH) Patrick Weigert ist als Geschäftsführer einer Unternehmensberatungsgesellschaft u.a. für die Automobil- und Luxusgüterindustrie tätig und beobachtet und analysiert als Mitbegründer und Gesellschafter beim Deutschen Uhrenportal die Entwicklungen und Trends auf dem Sektor für hochwertige Uhren und neue Technologien.

 

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