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Im Dialog mit Uhren Hieber München
Im Dialog mit Uhren Hieber München

Im Dialog mit Uhren Hieber München

Das Deutsche Uhrenportal war Mitte Oktober 2017 zu Besuch beim renommierten, mehr als 90 Jahre alten Fachgeschäft für Uhren und Schmuck, Uhren Hieber, in München, Donnersberger Straße 36. In einem ausführlichen Gespräch mit dem Geschäftsführer und Inhaber, Herrn Christof Hieber, konnten wir Gedanken zur aktuellen Großwetterlage am Uhrenmarkt und zu den Einschätzungen und Erwartungen für die Zukunft austauschen.

Herr Hieber, wie würden Sie das von Ihnen geführte Fachgeschäft hinsichtlich Markenportfolio und Preisspiegel einordnen?

Wir führen Uhren von rund 40 Marken in der Preisklasse von 50 EUR bis ca. 10.000 EUR und auf Bestellung natürlich auch darüber hinaus.

Als Einstiegsmarke dient Regent, aber auch Swatch. Die meisten Verkäufe werden jedoch im Bereich hochwertigerer Uhren, in der Preisklasse von 600 – 2500 EUR, getätigt. Hierbei dominiert bereits die Mechanik. Als TOP-Marke führen wir Breitling. Im mittleren Preissegment sind wichtige Umsatzbringer beispielsweise die Marken Longines oder auch Nomos.

Wie geht es Ihrer Einschätzung nach dem Uhrenmarkt aktuell und dem deutschen im Besonderen?

Dem Uhrenmarkt geht es nicht besonders gut; er durchlebt signifikante Veränderungen. Die Digitalisierung greift überall um sich, am Handgelenk aber auch bei den Vertriebskanälen. Der stationäre Fachhandel benötigt mehr denn je die Nische, das Besondere.

Auf der anderen Seite sucht der Kunde mehr denn je Marke, kauft aber dann häufig dort, wo es am günstigsten ist, zumeist im Internet. Für Reparatur und Service sucht er aber doch wieder den nächst gelegen Fachhändler auf, der ihm für wenig Geld dann z.B. das Armband anpassen soll.

Was ist heute anders als noch vor 5 Jahren?

Das Kaufinteresse als solches, oder sagen wir besser, das Interesse an Uhren, lässt spürbar nach. Gleichzeitig gibt es ein Überangebot und darauf fußend einen ausgeklügelten Graumarkt, den einige Online-Händler geschickt für sich zu nutzen wissen. Angebot und Nachfrage passen nicht mehr zusammen. Dazu kommt, dass bei vielen großen Uhrenherstellern und dem ihnen vorstehenden Management Quartalsergebnisse wichtiger erscheinen als langfristige Strategien und stabile Kundenbindungen.

So kommt der kaufinteressierte Kunde heute meist gut informiert, zumindest was den Preis betrifft, ins Geschäft, immer öfter mit bereits aufgeklapptem Smartphone, wo das von ihm gewünschte Modell aufscheint und auch gleich mit dem besten Preis dazu.

Wie wird sich die Zukunft entwickeln? Hat die Uhr überhaupt noch eine Zukunft; viele junge Menschen tragen überhaupt keine Uhr mehr?

Die Uhr, und gerade die hochwertige Uhr, wird definitiv eine Zukunft haben, aber wohl in geringerem Maße als heute. Die Bedeutung nimmt insgesamt ab. Ein junger Mensch, der nie an das Tragen einer Uhr gewohnt war, kann vielleicht in späteren Jahren, wenn er gut verdient, sich sehr wohl eine gute, zu seiner Persönlichkeit passende Uhr zulegen. Das wäre durchaus denkbar und natürlich absolut wünschenswert. Das muss unser Ziel sein.

Wie wird sich der Markt in den nächsten Jahren verändern?

Die klassische Uhr wird es immer schwerer haben. Selbst die Flik-Flak von Swatch, die klassische erste Uhr für Kinder im Schuleintrittsalter – um das Ablesen der Uhr zu lernen und sich auf Pünktlichkeit einzustellen – wird schon heute viel weniger nachgefragt.

Der Kauf über das Internet, sprich Online-Shops, wird weiter zunehmen und die Smartwatch wird ihre bereits starke Position weiter ausbauen.

Wie sehen Sie die Perspektive für die hochwertige mechanische Uhr? Und in welcher Preisklasse spielt sich das ab?

Die hochwertige mechanische Uhr beginnt bei Uhren Hieber bei rund 600 EUR. Gute Umsätze erzielen wir bis zu Preisen von rund 2.500 EUR. Darüber wird es schwieriger. Wie bereits zuvor ausgeführt, sehe ich eine gute Zukunftsperspektive für die hochwertige mechanische Uhr, die aber eben, auf der Suche nach dem niedrigsten Preis, immer häufiger über das Internet erworben wird.

 

Uhren-Journalisten sprechen gerne von Manufakturkalibern, welche Rolle spielen diese beim Kunden bei der Auswahl „seiner“ Uhr?

Manufakturkaliber spielen für den Kunden, aber auch den Fachhandel durchaus eine wichtige Rolle. Kommt beispielsweise ein nur durchschnittlich informierter Kunde ins Fachgeschäft und sucht die qualifizierte Beratung, so greift er häufig, nachdem ihm die Unterschiede zwischen Großserien- und Manufakturkaliber erläutert wurden, zum Manufakturkaliber. Das ist für ihn höherwertig. Dafür ist er dann auch bereit, einen angemessenen Mehrpreis zu bezahlen. Und für den Fachhandel bringt es als Zugpferd dadurch auch mehr Umsatz.

Wie wirkt sich die restriktive Ersatzteilpolitik vieler Uhrenhersteller aus? Wie reagiert der Kunde und hat das Auswirkungen auf den Verkauf oder die Kaufentscheidung?

Das ist ein sehr schwieriges und wenig erfreuliches Thema. Insbesondere die freien Uhrmacher leiden ganz erheblich unter diesen Restriktionen. Und für den Kunden ist es manchmal eine Zumutung, wenn er wochenlang auf seine Uhr warten muss, weil sie zur Reparatur eingeschickt werden muss.

Langfristig gesehen, schaden sich die Hersteller mit dieser Politik letztlich selbst. Viele Ausbildungsbetriebe fahren zudem das Angebot von Ausbildungsplätzen zurück, denn für was sollen Sie ausbilden, wenn Ihnen durch Nichtbelieferung von Ersatzteilen die Kompetenz zur Reparatur genommen wird? Ein Paradox: Die Uhrenindustrie sorgt so letztlich selbst für das langsame Sterben des Uhrmacherberufs und sägt am Ast, auf dem sie selbst sitzt.

Welche Perspektive hat die Quarzuhr oder auch die Funkuhr?

Die Funkuhr ist stark rückläufig. Ob sie eine Zukunft hat, muss zumindest angezweifelt werden. Die einfache Quarzuhr hingegen wird ganz klar ein Thema bleiben.

Wie positioniert sich die Smartwatch?

Die Smartwatch ist seit dem Erscheinen der Apple Watch im Frühjahr 2015 das große Sorgenkind der gesamten Uhrenbranche. Die Verkäufe von über 30 Mio. smarten Uhren im vergangenen Jahr hinterlassen ihre Spuren und der traditionelle Uhrenfachhandel profitiert so gut wie nicht davon.

Zum einen sind die Margen ein Hindernis, da sie fast durchweg geringer ausfallen, der Aufwand beim Verkauf aber ungleich höher und anspruchsvoller ist. Zum anderen haben hier die Media- und Saturnmärkte gewaltig aufgeholt und das Thema Smartwatch und Fitnesstracker an sich gezogen. Zudem geht der Kunde davon aus, dass die Beratungskompetenz für ein solch komplexes Produkt in Fachmärkten für Elektronik ausgeprägter ist als im Uhrenfachhandel. Also geht er bereits heute bevorzugt dorthin, um zu kaufen.

Von welchen Anbietern führen Sie aktuell smarte Uhren?

Wir führen intelligente Uhren von Breitling, Casio, Fossil, Garmin, Frédérique Constant, und Mondaine. Noch am glücklichsten sind wir, wenn man das so sagen kann, mit den Produkten von Garmin.

Welche smarte Uhr kommt beim Kunden besser an, die hybride Variante mit Zifferblatt oder jene mit Voll-Display?

Die sogenannten hybriden Uhren haben es schwer. Sie sind extrem erklärungsbedürftig und der Kunde findet dazu wenig Information. Die Uhren mit Display haben im Vergleich dazu eine weitaus größere Akzeptanz. Die Community ist viel größer und das Zugpferd ist hier zweifellos die Apple Watch und die verfügt eben über ein Display. Die Apple Watch ist der Maßstab, daran müssen sich die anderen messen lassen. Das traurige dabei: Jede Apple Watch ist ein mehr oder weniger verlorenes Handgelenk.

Wie schätzen Sie die Zufriedenheit der Smartwatch-Kunden ein?

Von Garmin führen wir die speziell für den Fachhandel bestimmten Modelle und bekommen von den Kunden ein durchweg positives Feedback. Die Uhren von Garmin funktionieren problemlos und halten, was der Hersteller verspricht.

Mit allen anderen Marken sieht es hingegen weniger gut aus. Dort haben wir teilweise mit Funktionsstörungen und auch geringerer Nachfrage zu kämpfen. Oder die Kunden geben die Smartwatch sogar wieder zurück, da zu kompliziert und der Kunde nach kurzer Gebrauchsdauer keinen wirklichen Mehrwert für sich erkennen kann. Ich selbst habe schon zahlreiche Produkte am Handgelenk ausporbiert und kann mich dem Urteil der Kunden nur anschließen.

Wird ihr Haus das Markenportfolio an smarten Uhren weiter ausbauen?

Nein, dass ist aus den zuvor genannten Gründen derzeit nicht geplant.

Sollte nicht ein Schweizer Großserienhersteller – beispielsweise die Swatch Group – das Thema Smartwatch in sein Produktportfolio aufnehmen und damit ein klares Signal an Fachhandel und Kunden setzen, das Geschäft nicht durchweg anderen, in der Uhrenbranche bislang fremden Unternehmungen zu überlassen?

Aktuell glaube ich nicht daran, dass das funktioniert. Selbst bei den großen Schweizer Marken fehlt die Elektronik- und Softwarekompetenz. Das sehen wir nicht zuletzt selbst bei Fossil; da gibt es noch einiges zu tun. Die Begeisterung hält sich in Grenzen. Da sind Apple und die anderen großen Wettbewerber aus dem Elektronik-Umfeld einfach ganz anders aufgestellt und haben einen klaren Vorsprung.

Wird der Käufer einer smarten Uhr später vielleicht eine teure mechanische Uhr dazu erwerben, oder wird er bei der smarten Lösung bleiben?

Das schließe ich nicht generell aus. Vielleicht bringt die Smartwatch den Kunden, der aktuell gar keine Uhr mehr trägt, tatsächlich auch wieder ein Stück weit dazu, überhaupt etwas am Handgelenk zu tragen. Insofern bekommt dann natürlich auch die mechanische Uhr wieder eine Chance. Mit Gewissheit sagen lässt sich das aber nicht. Das wird erst die Zeit zeigen.

Welche Rolle spielt das Alter des Kunden bei der Auswahl der für ihn richtigen Uhr?

Keine wirklich entscheidende. Es gibt immer wieder auch vergleichsweise junge Kunden, die sich für eine hochwertige mechanische Uhr entscheiden. Und umgekehrt gibt es Kunden im mittleren oder sogar fortgeschrittenen Alter, die sich für eine Garmin begeistern lassen und damit sehr zufrieden sind.

Welche Kunden kaufen smarte Uhren?

Bei Garmin sind es die etwa 25- bis 40-jährigen, bei Fossil ist die Kundschaft in der Regel jünger.

Vertriebskanäle, Fachgeschäft versus Online-Handel. Wo geht die Reise hin?

Der Online-Handel entwickelt sich rasant. Insbesondere die großen Anbieter bestimmen den Markt und machen das Rennen. Die kleineren Online-Shops, zu denen wir uns selbst zählen, spielen da eine vergleichsweise geringe Rolle. Die großen Händler nutzen häufig auch Sekundärquellen, aus denen sie die Ware beziehen, und können dann mit hohen Preisnachlässen – selbst bei Luxusmarken – werben.

Wir können das nicht. Wir halten uns an die Vorgaben der Hersteller und das tun die großen Retailer nicht immer. Hier spielt natürlich der Graumarkt und das weltweit vorhandene Überangebot an Uhren eine ganz entscheidende Rolle. Aber da sind die Hersteller ein Stück weit selbst schuld. Wer mehr produziert als der Markt aufnimmt, hat eben ein Problem; die Ware muss schließlich irgendwo hin.

Natürlich versuchen Hersteller und Handel diesem wilden Treiben Einhalt zu gebieten. Ob das je gelingt, ist fraglich. Und der Kunde schaut primär auf den billigsten Preis und weniger auf die Herkunft der Uhr. Ob Händler A oder B spielt dabei kaum mehr eine Rolle. Das Internet ist ohnehin ein weitgehend anonymer Marktplatz.

In jedem Fall sollten die Hersteller zusehen, gemeinsam mit dem Fachhandel, tragfähige und zukunftsorientierte Lösungen zu entwickeln.

Das stationäre Fachgeschäft wird für den Kunden immer dann interessant, wenn es darum geht, Probleme zu beheben, oder der Kunde etwas sucht, was es im Internet nicht zu kaufen gibt, oder bereits vergriffen ist. Da spielen dann z.B. Sondermodelle eine verkaufsfördernde Rolle. Dort wo das Internet schon nichts mehr zu bieten hat, können wir manchmal noch helfen.

Wir schicken aber niemals einen Kunden weg, egal wo er gekauft hat. Wir versuchen immer, eine Lösung zu finden und den Kunden zufrieden zu stellen. Wir leben schließlich von zufriedenen Kunden.

Dennoch, was uns wirklich erschüttert: Dass über Jahrzehnte etablierte und renommierte Fachgeschäfte für Uhren und Schmuck, wie Niesen in München oder Abeler in Wuppertal für sich keine Zukunft mehr sahen und in diesem Jahr den Geschäftsbetrieb aufgaben.

Welchen Anteil ihres Umsatzes wickeln Sie online ab?

Wie bereits ausgeführt, spielt unser eigener Online-Handel mit http://www.uhrendirect.de nicht die ganz große Rolle, obgleich wir eine der ersten waren, die auf den Zug “Online-Handel” aufgesprungen sind. Aber wir halten uns eben an die Spielregeln und das ist nicht immer unser Vorteil.

Die Umsätze im Ladengeschäft machen den weitaus größeren Teil unseres Geschäftsergebnisses aus. Aber wir möchten dem Kunden eben beides anbieten.

Welche Rolle spielen Ihrer Einschätzung nach die sozialen Medien im Umfeld der Vermarktung von Uhren?

Für den Hersteller eine ganz wichtige Rolle. Dieser muss dort präsent sein und sein Image pflegen. Der Fachhandel selbst hat hingegen weniger Möglichkeiten, sich in den Social Medias zu bewegen und zu positionieren. Events oder sonstige wichtige Ereignisse einmal ausgenommen.

Welche Rolle spielen Messen heute und künftig in der Welt der (feinen) Uhren?

Auch an dieser Stelle ist vieles im Umbruch. Nehmen wir nur die Munichtime. Einige wichtige Hersteller haben ihr bereits den Rücken gekehrt. In wenigen Tagen öffnet sie erneut ihre Pforten, aber haben selbst NOMOS und Jaeger Le-Coultre ihre Teilnahme abgemeldet. Auch die Swatch Group ist schon lange nicht mehr mit dabei. Stattdessen werden die Lücken mit kleineren, weitaus weniger bekannten Marken aufgefüllt. Die in Wien stattfindende Viennatime, die bisherige Ergänzung zur Munichtime, wurde für 2017 vom Veranstalter gar komplett annulliert.

Oder werfen wir einen Blick nach Basel. Die bevorstehende Baselworld 2018 verheißt ebenfalls nichts Gutes. Die Messe wird um zwei Tage verkürzt und erneut sagen einige Firmen ab, mieten sich in umliegende Hotels ein oder stellen in Genf auf der SIHH aus. Es ist nichts mehr so wie es einmal war. Die gewohnte Ordnung gibt es nicht mehr.

 

Herr Hieber, wir danken Ihnen für das sehr informative und offene Gespräch über eine sich schnell und dynamisch verändernde Welt, in der auch die feinen Uhren sich werden neu positionieren, ja vielleicht sogar werden neu erfinden müssen.

 

Das Gespräch mit Herrn Christof Hieber führten Frau Martina Weigert und Herr Patrick Weigert vom Deutschen Uhrenportal am 17.10.2017.

 

Nachfolgend noch der Imagefilm von Uhren Hieber:

 

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