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Besuch der Uhrenmanufaktur MORITZ GROSSMANN in Glashütte
Besuch der Uhrenmanufaktur MORITZ GROSSMANN in Glashütte

Besuch der Uhrenmanufaktur MORITZ GROSSMANN in Glashütte

Der Glashütter Uhrenbau im 19.Jahrhundert wurde im Wesentlichen von zwei herausragenden Persönlichkeiten geprägt: Ferdinand Adolph Lange und Moritz Grossmann.

Ferdinand .A. Lange brachte von seinen Wanderjahren in der Schweiz den Gedanken mit, spezialisierte Zulieferbetriebe zur Herstellung von Uhrwerkskomponenten aufzubauen. Dazu sollten Lehrlinge angeworben und entsprechend ausgebildet werden.

Sein Wegbegleiter und gleichzeitig Uhrengenie, Moritz Grossmann, unterstützte dieses Vorhaben, baute seine eigene mechanische Werkstatt auf und begründete 1878 die Deutsche Uhrmacherschule in Glashütte.

 

Bild: Moritz Grossmann

 

Der sprachgewandte Grossmann übersetzte umfassende Standardwerke der Uhrmacher-Literatur sowie zahlreiche Lehrbücher vom Französischen ins Deutsche.

 


Bild: Eine alte Schrift von Moritz Grossmann aus dem Jahre 1866

 

Nachdem Moritz Grossmann 1885 völlig unerwartet im Alter von nur 59 Jahren verstarb, fand sich zur Fortführung seines Betriebes kein geeigneter Nachfolger. Der Betrieb wurde aufgelöst; der Name Moritz Grossmann geriet über die Jahrzehnte in Vergessenheit.

Christine Hutter, die ursprünglich aus dem bayerischen Eichstätt stammende und gelernte Uhrmachermeisterin, stieß durch einen Zufall auf diese in Vergessenheit geratene Persönlichkeit und begann sich fortan näher für sie zu interessieren.

Im Rahmen ihrer Recherchen kam sie zu der Erkenntnis, dass auch die Namensrechte nicht vergeben waren und so reifte in Frau Hutter der Gedanke, sich zunächst diese zu sichern. Weitere Jahre vergingen und dabei entstand nach und nach der Plan, die Marke MORITZ GROSSMANN wieder zu beleben.

 

 

Ein weisses Blatt Papier, eine Idee und ein Laptop in einer Dresdner Wohnung – das ist der Beginn der neuzeitlichen Geschichte der Moritz Grossmann Uhrenmanufaktur. Es gelang Frau Hutter, einige Investoren von der Idee zu begeistern und so konnte im November 2008 die Grossmann Uhren GmbH gegründet werden.

Bereits im Februar 2009 erfolgte die Anmietung erster Räumlichkeiten in der Hauptstraße, genau gegenüber von Grossmann´s historischer Meldeadresse.

Im Juli 2009 wurde der erste Mitarbeiter eingestellt und die Arbeiten am ersten Modell BENU – und zwar der klassischen Glashütter Uhrmachertradition folgend – konnten mit Hochdruck vorangetrieben werden.

Im September 2010 wurde die BENU Roségold dann stolz einer  einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt, zeitgleich liefen bereits die Planungen für ein neues, nach modernsten Gesichtpunkten konzipiertes Manufakturgebäude.

 

Bild: Ein erster Blick auf das neue Gebäude beim Überqueren der Müglitz

 

Bild: Das neue Stammhaus von Moritz Grossmann in Glashütte

 

Auf dem ehemaligen Gelände der UROFA (Uhrenrohwerkefabrik), am Ufer der Müglitz, direkt gegenüber dem Glashütter Bahnhof, wurde Frau Hutter fündig. Die Investoren stimmten zu und so konnte das 4-geschossige, futuristisch anmutende und auch polarisierende Gebäude errichtet werden.

 

Bild: Blick von unten auf die charakteristische Rotonde

 

Wir parken unseren Wagen unter dem – aus Gründen des Hochwasserschutzes – auf Stelzen stehenden Gebäude und treten in ein kleines Foyer ein.

Ein Fahrstuhl bringt uns in das 4. Obergeschoss, direkt in die von außen markant anmutende Rotonde. Dieser lichtdurchflutete Raum erlaubt eine multifunktionale Nutzung. Neben der Präsentation der noch kleinen, aber feinen Kollektion in repräsentativen Vitrinen, können, mit einem überwältigen Blick auf Glashütte, auch Empfänge und Konferenzen abgehalten werden.

 

Bild: Die Besprechungsecke im Stil eines Wohnzimmers

 

Bild: Der große Konferenztisch

 

Bild: Die Vitrinen mit einigen Ausstellungsstücken

 

Nachdem uns Herr Kern, Pressesprecher der Grossmann Uhren GmbH, eine Einführung in die Geschichte und Philosophie des Hauses gab, beginnen wir den Rundgang.

Wir folgen den einzelnen Schritten der Materialbearbeitung und Veredelung bis zur fertigen Uhr. Tatsächlich fertigt MORITZ GROSSMANN nahezu alle wesentlichen Uhrwerkskomponenten selbst. Das im Materiallager befindliche Rohmaterial, zumeist in Form von Stangenmaterial durchläuft eine Vielzahl von Bearbeitungsschritten, bis daraus ein funktionierendes und gleichförmig tickendes und für den Betrachter faszinierendes Stück Feinmechanik und Zeitgeschichte wird.

Im Bild: Stangenmaterial zur Anfertigung diverser Uhrwerkskomponenten

 

In der ersten Etage ist die Einzelteilfertigung untergebracht. MORITZ GROSSMANN verfügt über einen sehr beachtlichen Maschinenpark, dazu zählen modernste Mehrachsen- CNC-Fräsmaschinen, Langdrehautomaten und auch eine Drahterodiermaschine.

 

Bild: CNC-Bearbeitungszentrum des Schweizer Werkzeugmaschinen-Herstellers Tornos-Almac

 

Bild: Maschine zur Herstellung von Mikroverzahnungen

 

Bild: Vollautomat zur Herstellung von Verzahnungen

 

Bild: Langdrehautomat zur Herstellung und Bearbeitung von Schrauben, Wellen, und vergleichbaren Komponenten.

 

Bild: Einige Beispiele für drahterodierte Teile

 

Bild: Hochmoderne Drahterodiermaschine

 

Das Unternehmen ist damit in der Lage, nahezu alle Uhrwerkskomponenten selbst anzufertigen. Selbst die Unruh wird im eigene Hause produziert – dazu später mehr. Sehr bemerkenswert auch, dass MORITZ GROSSMANN der einzige Betrieb in Glashütte ist – aber auch sonst einer der ganz wenigen – der selbst die Zeiger im eigenen Hause produziert.

 

Bild: Übersicht über die einzelnen Fertigungsstufen der Zeiger

 

Nach dem Ausschneiden der Zeiger mittels Drahterosion werden diese in einem sehr aufwendigen Verfahren per Hand poliert und so in ihre endgültige Form gebracht.

 

Bild: Der Rohling eines Zeigers aus der Drahterodiermaschine

 

Bild: Zur Bearbeitung aufgespannter Zeiger, mit bereits anglierten Kanten

 

Zur Veredelung der Oberfläche und zum gleichzeitigen Schutz vor Korrosion werden die Zeiger thermisch angelassen. Moritz Grossmann wählt dabei nicht das übliche Kornblumenblau, sondern einen mehr ins Violett gehenden Farbton. Bei einigen Modellen werden die Zeiger zum besseren Kontrast gegen das Zifferblatt noch mit einer weißen Keramik gefüllt.

Durch den aufwendigen Herstellungsprozess kann an einem Arbeitstag maximal ein Zeigersatz, samt Zeigerauge hergestellt und veredelt werden! Aber der Aufwand lohnt sich, denn der hauseigene Zeigersatz verleiht der Uhr ein ganz eigenes, äußerst hochwertiges Gesicht und damit Erscheinungsbild.

Die Werksplatinen werden bei MORITZ GROSSMANN nicht, wie meist üblich, aus Messing, sondern aus Neusilber gefertigt. Dieses Material bedarf keiner weiteren Oberflächenbeschichtung, sondern erhält gleich nach dem Aufbringen der Zierschliffe seinen samtigen Glanz. Den Uhrmacher selbst stellt dies jedoch vor grosse Herausforderungen, da das Material empfindlich gegenüber Fingerabdrücken und Kratzer ist.

 

Bild: Das komplizierte Auswuchten der Unruh

 

Die bereits erwähnte, im eigenen Haus produzierte, spezielle Moritz Grossmann Unruh muss vor dem Aufbauen der Hemmungsbaugruppe exakt ausgewuchtet werden. Dies geschieht durch minimalsten Materialabtrag, mittels einer feinen Reibahle, auf der sogenannten Unruhwaage.

 

Bild: Die präzise und untrügliche Unruhwaage

 

Bild: Die Moritz Grossmann Unruh

Die Regulierung des Schwingsystems erfolgt einerseits über die an der Unruh befindlichen Regulierschrauben, anderseits auch über ein, mit einer speziellen Feinregulierung ausgestattetes Rückersystem. Dies erlaubt dem Uhrmacher die Feinjustage, ohne in das Schwingsystem eingreifen zu müssen.

Eine weitere Besonderheit der Grossmann´schen Werke Konstruktion ist das herausnehmbare Aufzugsmodul. Über einen separaten Startknopf wird das Uhrwerk nach dem sekundengenauen Stellen und Positionieren der Zeiger gestartet. Ein versehentliches Dejustieren der Zeiger beim Eindrücken der Krone wird so ausgeschlossen.

 

Bild: Die Remontage der Uhrwerke

 

Bild: Vormontierte Uhrwerke

 

Bild: Dreiviertel-Platine mit eingesetzten Chatons

 

Bild: Die für Moritz Grossmann typische zweifache Remontage der Uhrwerke

 

Neben A. Lange & Söhne, ist MORITZ GROSSMANN die einzige Manufaktur in Glashütte, bei der jedes Werk eine Zweifach-Montage erfährt. Bei einem ersten Zusammenbau werden alle Funktionen geprüft und zum Beispiel das Höhenspiel der Lager eingestellt.

Erst nach dem erneuten Zerlegen erhalten einzelne Komponenten ihre endgültige Oberflächenstruktur, werden gereinigt und dann der Zweitmontage unterzogen. Und erst jetzt werden zum Beispiel auch die hochwertigen endgültigen Schrauben verwendet.

 

Bild: Einige Teile des Schwingungssystems

 

Bild: Handgravierter Unruhkloben mit spezieller Grossmann´scher Feinregulierung

 

Bild: Die Grossmann´sche Feinregulierung

 

Bei aller traditionellen Uhrmacherkunst spielt jedoch auch die moderne Produktentwicklung, unter zur Hilfenahme spezieller CAD Unterstützung, eine wichtige Rolle.

Jens Schneider, der Chefkonstrukteur bei Moritz Grossmann, gewährte uns einen kurzen Einblick in seinen Arbeitsalltag. Eine wichtige Aufgabe hierbei ist, wichtige Merkmale der Glashütter Uhrmacherkunst und ihrer Tradition auf die Neuzeit und die heutigen technologischen Möglichkeiten zu transformieren.

 

Bild: Jens Schneider an seinem CAD-Arbeitsplatz

 

Moritz Grossmann hat inzwischen drei Modellreihen der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach unserem ausführlichen Rundgang durch Produktion und Konstruktion befassten wir uns mit den einzelnen Modellreihen und ihren Varianten.

 

Bild: Das Modell BENU

 

Bild: Das Modell BENU, Ansicht von der Rückseite, mit Blick auf das aufwendig verzierte und veredelte Handaufzugswerk

 

BENU heißt die erste Uhr aus der neuen Uhrenmanufaktur MORITZ GROSSMANN; es gibt sie in den Modellvarianten BENU Rosègold, limitiert auf 100 Uhren weltweit, das Modell BENU Weißgold, limitiert auf 50 Uhren weltweit, sowie das auf 25 Uhren weltweit limitierte Modell BENU Platin.

 

Bild: Das Modell BENU Gangreserve

 

In der BENU Gangreserve tickt das Manufakturkaliber 100.2, Handaufzug, ebenfalls ausgestattet mit der Grossmann’schen Unruh.

 

Bild: Das Modell ATUM

 

Das Uhrwerk Kaliber 100.1 der ATUM präsentiert die neu konzipierte Grossmann’sche Unruh. Diese wird, wie zuvor gezeigt und erläutert, vollständig in der eigener Manufaktur gefertigt. Mit einer weiteren Modifizierung des Glashütter Gesperrs wurde Raum für den Grossmann’schen Handaufzug mit Drücker geschaffen.

Und mit der BENU Tourbillon krönen die Grossmann’schen Uhrmacher nun die erste Modelllinie der Manufaktur.

Im Abschlussgespräch gehen wir ausführlich auf die Nah- und Fernziele der Uhrenmanufaktur MORITZ GROSSMANN ein. Im Jahr 2014 / 2015 legt das Unternehmen seinen Schwerpunkt auf Marketing und Vertrieb. Das große Ziel ist es, ein weltweites, exklusives Händlernetz aufzubauen, in einer überschaubaren Größe, von maximal 50 Händlern. Zudem plant MORITZ GROSSMANN auf einigen wichtigen Messen und Events Präsenz zu zeigen, um einem interessierten Publikum, aber auch den Fachkreisen, die Philosophie des Hauses und die aktuelle Produktplalette näher zu bringen.Interessant fanden wir, dass das erste Modell, die BENU, bereits ein weltweites Interesse erregte, das Unternehmen erhielt Anfragen und Bestellungen sogar aus Hongkong, Mexiko und Japan.

Darüber hinaus sind weitere bzw. modifizierte Werkekonstruktionen, Modellüberarbeitungen und Modellerweiterungen im Gespräch. Uns hat der Besuch der Manufaktur MORITZ GROSSMANN GLASHÜTTE I/SA sehr beeindruckt. Zum einen, wieviel Liebe zum Detail und Energie und Schaffenskraft in jeder Moritz Grossmann Uhr steckt, zum anderen, in welch kurzem Zeitraum, mit welchem Aufwand und welch vergleichbar kleinen Zahl an – dafür aber umso engagierteren und sehr umtriebigen – Mitarbeitern, es Frau Hutter gelungen ist, diese Marke wiederzubeleben. Dafür zollen wir dem Unternehmen unseren Respekt und wünschen weiterhin viel Erfolg und gutes Gelingen!

 

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