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Der Schweizer Uhrenindustrie weht ein kühler Wind ins Gesicht
Der Schweizer Uhrenindustrie weht ein kühler Wind ins Gesicht

Der Schweizer Uhrenindustrie weht ein kühler Wind ins Gesicht

Am 24. April 2015 kam die erste Generation der Apple Watch auf den Markt. Seither sind 4 Jahre und 8 Monate vergangen. Erstmals offiziell angekündigt wurde sie am 09. September 2014.

Die Reaktionen der Uhrenhersteller, aber auch der einschlägigen Uhren-Experten, ließen nicht lange auf sich warten. Tonart und Wortwahl waren zwar unterschiedlich, im Ergebnis jedoch mehr oder weniger gleichlautend.

Alle gemeinsam räumten sie der Smartwatch keine wirklich großen Chancen einer nachhaltigen Verbreitung auf dem Markt ein. Allen voran der Marktschreier bei den Schweizer Uhrenkonzernen, Nick Hayek. Er überzog diese neue Art von Uhren geradezu mit hämischem Spott.

In den ersten zwei Jahren sah es dann auch tatsächlich so aus, als bliebe Apple mit seinem neuen Produkt der einzige erfolgreiche Anbieter und es könnte sich ein gewisses konstruktives Miteinander oder Nebeneinander einstellen. Jean-Claude Biver zeigte sich gar überzeugt, dass mit Hilfe der Smartwatch junge Leute der Generation Smartphone überhaupt erst wieder zum Tragen einer Uhr animiert werden könnten.

Heute wissen wir es besser. Weder das eine noch das andere trifft zu. Ganz im Gegenteil. Die Smartwatch und ihre heute fest am Markt etablierten Marken (Apple, Garmin, Huawei, Samsung und Xioami) verbuchen Jahr für Jahr hohe 2-stellige Zuwachsraten, während die Stückzahlen bei den Anbietern klassischer Uhren nur die entgegengesetzte Richtung kennen. Das Handgelenk muss sich eben für die eine oder die andere Variante entscheiden.

Leider hat es weder die Schweizer noch die deutsche Uhrenindustrie, bis auf wenige Ausnahmen, verstanden, den schnell wachsenden Markt der intelligenten Uhren für sich zu nutzen. Außer irgendwelchen längst abgelaufenen Ankündigungen sind keine erfolgversprechenden Produkte in Sicht.

Die aktuelle Einschätzung von René Weber, Analyst bei Bank Vontobel

In den ersten zehn Monaten des Jahres 2019 gingen die Stückzahlen um 13,1% auf 17,1 Mio. Stück zurück. Das sind mehr als 2,5 Mio. Uhren weniger als noch ein Jahr zuvor. Zwar stieg der Umsatz wieder leicht um 2,7% an, auf 19,95 Milliarden Franken, aber das ist einzig und allein dem hochpreisigen Segment der Schmuckuhren zu verdanken.

“Mit ihrer Marke Swatch ist die Swatch Group die Nummer eins unter den Schweizer Einstiegsuhren. Dementsprechend wird diese Marke besonders stark vom mengenmäßigen Rückgang getroffen”, sagt der Analyst René Weber von Bank Vontobel.

“Aber auch Tissot, die Marke, die die mittlere Preislage der klassischen Schweizer Uhr repräsentiert, leidet unter der zunehmenden Beliebtheit von Smartwatches”, so Weber weiter.

Neben der Swatch Group, die rund zwei Drittel des Markteintritts- / Mittelklassesegmants hält, erwähnt Vontobel noch die Marken Victorinox (5%) und Mondaine (2%).

In den ersten neun Monaten diesen Jahres gingen die Ausfuhren von Uhren mit einem Exportpreis von weniger als 200 Franken (etwa 500 Franken Ladenpreis) um 11,5% und die Ausfuhren von Uhren zwischen 200 und 500 Franken um 4,6% zurück. Ebenfalls rückläufig sind Uhren mit einem Exportpreis zwischen 500 und 3.000 Franken (-5,3%). Während die Auslieferungen von Uhren mit einem Exportpreis von >3.000 Franken um stattliche 7,5% zulegen und damit den Gesamtumsatz stützen konnten.

“Wir gehen davon aus, dass die Einstiegs- und Mittelklasse-Marken auch künftig von Smartwatches betroffen sein werden, während das High-End-Uhrensegment weiteres Wachstum generieren kann”, so die Einschätzung der Analysten.

Jenen Herstellern und vor allem Lieferanten, die ihre auf hohe Stückzahlen ausgelegten Fertigungskapazitäten auslasten müssen, hilft das freilich wenig.

Infolge einer Anpassung der Produktion an die sinkenden Stückzahlen mussten einige Zulieferanten bereits Kurzarbeit anmelden oder ihre Belegschaft reduzieren. Dies seien aber keine Massenentlassungen führt der Präsident des Verbandes der Schweizer Uhrenindustrie, Jean-Daniel Pasche, aus.

“In unseren Fertigungslinien, die Komponenten für Einstiegsmodelle produzieren, mussten wir bereits einen zweistelligen Umsatzrückgang hinnehmen”, gab ein Lieferant zu Protokoll, der jedoch nicht genannt werden möchte.

“Insgesamt läuft die Uhrmacherei derzeit nicht besonders gut […]”

Es sind jedoch nicht alle Hersteller von Uhrenkomponenten gleichermaßen betroffen. Die Acrotec-Gruppe beispielsweise rechnet für 2019 mit einem Anstieg des Jahresumsatzes um 5 bis 10%, so Vertriebsleiter Philippe Metzger. Das gelingt jedoch nur, weil sich das Unternehmen schon frühzeitig diversifiziert hat und so seine Abhängigkeit von der Uhrenindustrie auf nurmehr 50% reduzieren konnte. Das Unternehmen aus Develier hat sich in den letzten Jahren zusätzlich auf medizinische und automobile Anwendungen spezialisiert und liefert darüber hinaus auch Komponenten für die Raumfahrt.

“Insgesamt geht es der Uhrenindustrie derzeit nicht besonders gut und es gibt große Unterschiede zwischen den einzelnen Marken”, fügt Philippe Metzger hinzu und erinnert sich, dass er in der Uhrenindustrie schon mehrfach Turbulenzen erlebt hat.

Im Berner Jura, einer Region, in der die Uhrmacherkunst nach wie vor der wichtigste Absatzmarkt für den Sekundärsektor ist, “sei bei einigen Anbietern eine Verlangsamung des Mengenwachstums zu spüren und die Erwartungen an den Jahresabschluss sind entsprechend gedämpft”, führt der Direktor der Wirtschaftskammer Berner Jura (CEP), Patrick Linder, aus

“Mehr als hundert Unternehmen arbeiten direkt oder indirekt für die Uhrenindustrie im Berner Jura”, sagt Patrick Linder. “Der Druck auf die Margen der Zulieferanten gefährdet letztlich auch deren Möglichkeiten in neue und innovative Technologien zu investieren.”

Wohl dem, der das obere und oberste Segment bedient, wehe dem, der im Einstiegssegment unterwegs und auf hohe Stückzahlen angewiesen ist.

Und eine Entspannung ist nicht in Sicht.

Links:

24heures.ch

20min.ch

Deutsches Uhrenportal

Deutsche Uhrmacher

Smarte Zeitmesser

 

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