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SIHH 2017 und Baselworld 2017 im Lichte des Marktgeschehens
SIHH 2017 und Baselworld 2017 im Lichte des Marktgeschehens

SIHH 2017 und Baselworld 2017 im Lichte des Marktgeschehens

Vor dem Hintergrund der eingetrübten Aussichten für das bevorstehende Geschäftsjahr 2017 bereiten die Marken der Groupe Richemont sowie eine handvoll unabhängiger Hersteller und kleinere Manufakturbetriebe mit großem Elan die erste große Messe für das Jahr 2017 vor, die SIHH (Salon International de la Haute Horlogérie) in Genf. Selbst auf dieser Messe der Superlative werden die Brötchen künftig wohl etwas kleiner gebacken, zumindest wäre dies der Situation angemessen.

Erstmals in der Geschichte der SIHH will die Messeleitung am letzten Tag des Geschehens die Heiligen Hallen nun auch für die Öffentlichkeit öffnen. War die SIHH in der Vergangenheit nur für geladene Gäste und auserwählte, linientreue Journalisten zugänglich und war man so quasi unter sich, so wird nun versucht, durch die scheinbare neue Offenheit vielleicht den ein oder anderen Endkunden anzulocken und damit für den Kauf eines der prachtvollen Stücke in einem zunehmend schwieriger werdenden Umfeld zu interessieren. Die Auswahl, die der Kunde heute vorfindet, ist denn auch reichhaltiger als je zuvor.

Und zwar nicht nur in Genf. Wenige Wochen später findet das gleiche Spektakel, nur sehr viel größer und publikumswirksamer, dafür aber auch sehr viel offener – und für den interessierten Kunden schon immer zugänglich – in Basel statt. Dort treten dann die Swatch Group, LVMH, Rolex, Patek Philippe, Breitling und viele viele weitere bekannte und auch weniger bekannte Marken, die sich nicht um die Groupe Richemont herum versammeln oder versammeln möchten, in Basel zum großen Show Down an.

 

Egal, ob gewöhnlicher Besucher, Fachhändler, Distributor oder Journalist, viele fragen sich, was das bitte soll und wem das nützt?

 

Zwei große Leit-Messen in kurzer Abfolge mit verschiedenen Marken im gleichen Land. Nein, Pardon, die eine im französischen Teil, die andere in der Deutsch-Schweiz, und damit doch ganze 250 km voneinander entfernt. Soll der Interessent, Fachbesucher, Einzelhändler, Großhändler, Importeur oder Journalist nun innerhalb von 8 Wochen zweimal anreisen? Was macht die Kundschaft aus Übersee, aus Asien, aus USA? Die Flugtickets und die Hotels zweimal buchen? Das ist weder effizient, noch nachhaltig, noch kunden- und schon gar nicht zukunftsorientiert. D.h. viele werden sich eben für das eine und damit zwangsläufig gegen das jeweilig andere entscheiden, denn Zeit ist bekanntlich Geld und das fließt aktuell nicht mehr ganz so ungebremst.

 

Könnte es vielleicht sein, dass da der eine dem anderen die Butter auf dem Brot nicht gönnt?

 
Auch die Hersteller selbst treiben ihre Spielchen munter weiter und lassen sich vor den Karren der Messebetreiber spannen. Die Kering-Gruppe mit den Unternehmen Ulysee Nardin und Girard-Perregaux lässt sich feiern und verkündet gar lautstark, der Messe Basel nun den Rücken zu kehren, um fortan auf der SIHH in Genf auszustellen. Angesichts der dunklen Wolken am Horizont und der sich vielerorts abzeichnenden miserablen Geschäftsergebnisse, ist das Getöse im scheinbar größer werdenden Kindergarten dafür noch immer recht vernehmlich. Oder sind die vielen, wie Pilze aus dem Boden schießenden Monobrand-Stores gar so erfolgreich, dass die Hersteller auf die klassischen Vertriebskanäle und damit Gespräche mit den Distributoren gar nicht mehr angewiesen sind?

 

Zwei wichtige Messen, die in einem völlig sinn- und wertlosen Wettbewerb gegeneinander antreten!

 
Oder hat noch jemand zu viel Geld in der Tasche, bzw. wird dieses schon im Vorfeld ausgegeben, um es im Nachhineien dem Kunden oder Zulieferer – der sich am wenigsten wehren kann – gleich wieder aus der Tasche zu ziehen? Das kommt einem so vor, als würde es – übersetzt auf die Automobilindustrie – in Deutschland eine IAA (I) und eine IAA (II) mit jeweils unterschiedlichen Marken im Abstand von 8 Wochen an zwei verschiedenen Orten (z.B. in Frankfurt und in München) geben. Was hier undenkbar ist, gibt es in der Welt der feinen Uhren leider noch immer. Da scheint das Tal der Tränen noch lange nicht erreicht zu sein und offenbar gibt es zu viele Kunden, die nach wie bereit sind, die mittlerweile über jedes vernünftige Maß hinausgehenden Preisvorstellungen der Hersteller nicht nur zu tolerieren, sondern zu akzeptieren. Mit verbesserter Produktsubstanz hat das schon lange nichts mehr zu tun.

 

Taugt die Luxus-Uhr noch als Wertanlage?

 
Vor dem Hintergrund solcher Szenarien mehr als nur eine einfache Frage! Viele mechanische Uhrwerke werden seit Jahrzehnten gefertigt, sind ausgereift und wurden über die Zeit nur wenig verändert bzw. maßvoll verbessert. Weshalb soll dann ein Produkt, welches nach wie vor nur die Zeit anzuzeigen vermag, innerhalb von 10 -15  Jahren den doppelten Preis kosten, wo wir doch seit Jahren hören, dass viele Zentralbanken rund um den Globus damit beschäftigt sind, die Inflation wenigstens geringfügig über die Nulllinie zu bekommen. Vielleicht sollten die Herren Draghi (EZB) und Jordan (SNB)  einmal bei einigen besonders eifrigen Uhrenherstellern vorbeischauen. Da funktioniert Inflation perfekt, denn dort kostet ein und dasselbe Produkt jedes Jahr 8 – 10% mehr und zwar ohne, dass sich diese Mehrung in der Produktsubstanz oder gar in den Gehältern der Beschäftigten ihren Niederschlag finden würden und zwar schon lange bevor die Bindung des Schweizer Franken an den EURO aufgehoben wurde. Aber der geduldige und bereitwillige Kunde soll´s bezahlen, damit das Management sich reichlich bedienen kann und die Marketingstrategen weiterhin aus dem Vollen schöpfen, ihre exzessiven Party´s und medialen Selbstdarstellungen ungebremst feiern und finanzieren können.


Im Bild:
Preissteigerung bei Uhren am Beispiel der Rolex Daytona in Stahl. Die obere blaue Kurve zeigt den Anstieg der Endverbraucherpreise, die untere orange Kurve den Preisanstieg, sofern nur die Inflation eingerechnet worden wäre, jeweils in USD.

 

Wenn dann irgendwann eine Unruhspirale statt aus Nivarox nun aus Silizium gefertigt wird, einem Material, nach dem ein der Tradition verbundener Uhrmacher nicht wirklich ruft, da er aufgrund der Sprödigkeit des Werkstoffs daran weder etwas justieren noch verändern kann, so wird das als große Innovation gefeiert und rechtfertigt sogleich die nächste Preisanpassung. Die Kostenstrukturen einiger Unternehmen scheinen komplett aus dem Ruder zu laufen, anders lässt sich das nicht mehr erklären.

Weniger wäre mehr in diesem volatil und höchst imponderabel gewordenen Umfeld. Vielleicht sollte McKinsey & Co. bemüht werden, um an einigen Stellen den verkrusteten Strukturen etwas frischen Wind einzuhauchen und wieder auf die Beine zu helfen. Das große Reinemachen und viel mehr Kundenorientierung wären wieder angesagt, mehr denn je!

 

Der Zeitpunkt ist gekommen.

 
Wenn nicht jetzt, wann denn dann? Mit scheinbar preiswerteren, aber immer noch viel zu teuren Einstiegsmodellen und Neuerungen, die sich häufig auf die Farbe des Zifferblattes, die Geometrie des Gehäuses oder den Werkstoff einer Lünette beschränken, ist nicht mehr allzu viel Staat zu machen. Dafür ist der Markt übersättigt und das Angebot zu groß. Aber auch der ganze Hype um Manufakturkaliber wird’s nicht richten. Jeder möchte sein eigenes Kaliber. Und wer soll das bitte alles finanzieren? Am liebsten der Kunde, aber den verlässt mehr und mehr der Glaube daran.

“Richemont” holt mangels Nachfrage Lagerbestände aus Fernost zurück. Der renommierte und noch in Privatbesitz befindliche Hersteller “Breitling” soll verkauft werden, auch “Vulcain”, die Marke der US-Präsidenten entlässt einen Großteil ihrer Belegschaft und bemüht sich um einen Käufer. “Pequignet” ist zahlungsunfähig und benötigt dringend frisches Geld. Wie geht es weiter, wer ist der nächste, dem das Wasser höher steht als ihm und seinen Geldgebern lieb sein kann?

 

Last but not Least bedeutet auch die völlig unnötige Verknappung von Ersatzteilen und Ersatzteillieferungen nichts Gutes.

 

Der Kunde ist auch hier nicht mehr bereit, diesen ganzen Spuk nach Gutdünken der Hersteller weiter mitzumachen und monatelang auf eine beim Hersteller selbst oder einem von ihm zertifizierten Servicecenter in Revision befindliche Uhr zu warten, um sich dann erneut viel Geld aus der Tasche ziehen zu lassen. Der Kunde ist es langsam leid und McKinsey hätte wirklich alle Hände voll zu tun.

 

Die Flucht nach vorne!

 
Und während einige der etablierten und nun in Genf oder Basel zelebrierenden Marken vorrangig mit sich selbst beschäftigt sind und ihre Wunden lecken, gehen andere in die Offensive und stellen, wie beispielsweise die FOSSIL Group, im Januar, unmittelbar vor der SIHH, auf der CES in Las Vegas, neue innovative Produkte vor oder installieren, wie beispielsweise TAG Heuer, gar ein Satelliten-Office im Silicon Valley, um am Puls der Zeit die überall hör- und sichtbaren Signale quasi online zu empfangen und in die Entwicklung neuer, zukunftsträchtiger Produkte einfließen zu lassen.

So hat der Chef des Schweizer Think Tank “Industry and Manufacturing 4.0”, Xavier Comtesse, vermutlich nicht ganz unrecht, wenn er knallhart postuliert, dass es die Schweizer Uhrenindustrie in der heutigen Form in 10 – 20 Jahren nicht mehr geben wird.

 

Der Autor:

Herr Dipl.-Ing. (FH) Patrick Weigert ist als Geschäftsführer einer Unternehmensberatungsgesellschaft u.a. für die Automobil- und Luxusgüterindustrie tätig und beobachtet und analysiert als Mitbegründer und Gesellschafter beim Deutschen Uhrenportal die Entwicklungen und Trends auf dem Sektor für hochwertige Uhren und neue Technologien.

 

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Ein Kommentar

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