Das Gebiet in und um den französisch/schweizerischen Jura ist bekannt für die hohe Kunst der Uhrmacherei und den Sitz von namhaften, weltweit bekannten und agierenden Uhrenfirmen der obersten Kategorie, der Haute Horlogerie eben, wie der dort lebende französisch sprechende Schweizer oder der Franzose zu sagen pflegt.
Nur, nach der Quarzkrise in den 70er Jahren hat es zwar die Schweizer Uhrenindustrie wieder geschafft, auf die Beine zu kommen und sich mit ihrem „Swiss Made“ einen Ruf von Weltruhm aufgebaut, wohingegen die französische Uhrenindustrie bis heute mehr oder weniger auf der Strecke geblieben ist. Und das völlig zu Unrecht. Das zeigt sich auch darin, dass täglich zigtausende hochqualifizierter französischer Uhrmacher aus dem grenznahen Frankreich nach Le Locle, La Chaux de Fonds oder ins Vallée de Joux pendeln, um dort bei TAG Heuer, Zenith, Jaeger le Coultre, Blancpain, Bulgari und vielen vielen anderen bekannten Luxusmarken ihrer täglichen Arbeit nachgehen.
Jetzt, wo der Euro schwach und der Franken stark ist, hat das natürlich durchaus seine Vorteile. Die Nachteile sind aber auch nicht zu übersehen. So ist es viel Zeit und auch hohes Risiko, welches die Pendler insbesondere in den harten Wintermonaten Tag ein Tag aus auf den engen und kurvenreichen Straßen durch den Jura eingehen.
Da ist es dann nur logisch, dass auch in Frankreich das Selbstbewusstsein wieder zunimmt und die alte Uhrmachertradition nicht mehr nur im Nachbarland Schweiz gelebt wird, sondern auch in Frankreich beginnt, langsam wieder Fuß zu fassen. Das ganze Gebiet um Besançon, der ehemaligen Uhrenhauptstadt Frankreichs, beginnt sich wieder alter Traditionen und Stärken zu besinnen. Dies wurde auch von der Regierung erkannt, für Gut geheißen und mit entsprechenden Förderprogrammen unterstützt.
Eine der wenigen Manufakturen, die sich aufmachen und mit dem Label “Fabriqué en France” statt “Swiss Made” auf dem Zifferblatt schmücken, ist “Pequignet”.
Bild: Die Kleinstadt Morteau, nahe der Schweizer Grenze. Der Sitz von Pequignet
Emile Pequignet machte sich bereits im Alter von 16 Jahren mit der Uhrenherstellung vertraut. Er ließ sich zum Uhrmacher ausbilden, arbeitete zunächst als Uhrendesigner und später auch als Vertriebschef eines großen Uhrenunternehmens. 1973 fasste Pequignet schließlich den Entschluss, den Traum von einer eigenen Marke wahrzumachen und gründete im französischen Morteau, nahe der Schweizer Grenze und unweit der Uhrenstädte Le Locle und La Chaux de Fonds, eine Manufaktur, die seinen Namen tragen sollte.
Bilder: Uhrenmanufaktur Pequignet in Morteau
Pequignet steht dabei seit vielen Jahren für die Herstellung feinster Zeitmesser in Perfektion. Die unabhängige Manufaktur vereint die Eigenschaften feinster Uhrmacherkunst und französischer Eleganz zu einer stimmigen Einheit. Aufgrund der herausragenden ästhetischen Qualitäten wurde Pequignet inzwischen bereits fünfmal mit dem “Cadran d´Or”, ausgezeichnet. Mit diesem Preis werden in Paris die exklusiven Uhrenkreationen aus der ganzen Welt prämiert. Pequignet freut sich über sage und schreibe drei Preise in der Kategorie Prestige- und Luxusuhren und je eine Anerkennung in den Kategorien Sport- und Fantasieuhren.
Dennoch verlief die Geschichte von Pequignet nicht immer einfach und geradlinig. Emil Pequignet ging nach 30 Jahren Unternehmensführung in den verdienten Ruhestand.
2004 wurde das Unternehmen von Didier Leibundgut übernommen und zur Manufaktur mit eigenem High End Kaliber weiter entwickelt. 2010 erblickte das Calibre Royal schließlich das Licht der Welt; ein absolutes Glanzstück französischer Uhrmacherkunst. Entsprechend ausgestattete Uhrmacherateliers wurden für die Remontage dieses anspruchsvollen Kalibers am Standort in Morteau eingerichtet. Die konsequente Umsetzung des Vorhabens stellte sich jedoch als große finanzielle Belastung heraus, der das Unternehmen nicht Stand hielt.
2012 war schließlich der finanzielle Tiefpunkt erreicht. Zwei private aus Frankreich stammende Investoren, die Herren Phillippe Spruch und Laurent Katz übernahmen das Unternehmen und sicherten so nicht nur dessen Fortbestand, sondern auch seine Unabhängigkeit.
Laurent Katz, der CEO von Pequignet, erläutert uns die drei Säulen der aktuellen Kollektion sowie die Zielsetzungen des Unternehmens.
Allen voran die mit dem herausragenden Calibre Royal bestückte Herrenkollektion, zu Preisen zwischen 3800 EUR (im Stahlgehäuse mit kleiner Sekunde und Gangreserveanzeige) und 17.000 EUR (im Goldgehäuse mit Gangreserve, Großdatum und Mondphase), dann eine preisgünstige Einstiegsserie, welche mit zugekauften Kalibern aus dem Hause Seiko bestückt ist und letztlich – ganz wichtig – die Damenkollektion, welche bei Pequignet traditionell immer eine bedeutsame Rolle spielte.
Besonders bei den Damenuhren kommt die französische Eleganz in jedem Detail voll zur Geltung und zwar unabhängig davon, ob mit Quarzwerk oder Automatik-Kaliber von Seiko bestückt.
Aber auch die Herrenuhren vermitteln die Form des Besonderen und damit der Begehrlichkeit. Dies trifft in ganz besonderem Maße für jene Modelle zu, welche mit dem Calibre Royal bestückt sind. Das Ziel von Pequignet ist es, zu erschwinglichen und fairen Preisen dem Kunden eine nicht alltägliche Luxusuhr anzubieten, die es mit bekannten, in der Schweiz beheimateten Premiummarken auf Augenhöhe aufnehmen kann. Die bislang noch eher moderaten Stückzahlen sollen durch eine konsequente Ausweitung der Absatzmärkte zügig ausgebaut werden. Hauptabsatzmarkt ist nach wie vor Frankreich. Andere europäische Länder sind aber im Aufwind, so wie sich auch der Absatz in Asien und in arabischen Ländern positiv entwickelt. Unterrepräsentiert ist Pequignet hingegen noch auf dem amerikanischen Markt.
Sehen wir uns die einzelnen Abteilungen der feinen französischen Uhren-Manufaktur etwas genauer an. Besonders stolz ist man bei Pequignet auf die hauseigene Werkekonstruktion. Hier wird mit modernsten CAD-gestützten Konstruktionsmethoden an der Weiterentwicklung des Calibre Royal gearbeitet. Schließlich wurde es in weiser Voraussicht so konstruiert, dass die Grundplatine bis zu insgesamt 8 Komplikationen aufnehmen kann, ohne dass sich durch Zusatzmodule die Bauhöhe verändern würde.
Für dieses einzigartige Manufakturkaliber hat Pequignet insgesamt 9 internationale Patente angemeldet. Hauptmerkmale sind das Großdatum/-wochentag, mit Schnellverstellung ohne gesperrten Bereich, bei insgesamt 88 Stunden Gangreserve und dabei 72 Stunden Isochronismus. Das Uhrenmagazin hat mit Ausgabe vom Juni 2012 das Calibre Royal in der Preiskategorie bis 10000 Euro bereits mit hervorragendem Ergebnis getestet.
Pequignet denkt jedoch weiter und ist gerade dabei, ein einfacheres und damit kostengünstiger zu produzierendes Manufakturkaliber zu entwerfen, welches in Zukunft die Einstiegsmodelle antreiben soll. Wir konnten uns am CAD-Schirm schon einen ersten Eindruck davon verschaffen. Zudem gewährt der französische Staat Anschubfinanzierungen für die französische Uhrenindustrie. Aus diesem Topf möchte Pequignet die Entwicklung eines weiteren Kalibers finanzieren.
Auf die Frage, wo denn nun die ganzen Einzelteile gefertigt werden, kommt eine einfache Antwort: Außer Haus. Das heißt, Pequignet verfolgt die konsequente Strategie des Outsourcings und bedient sich der langsam wieder aufkeimenden französischen Zulieferindustrie und natürlich einiger grenznaher Schweizer Betriebe. Somit erfolgt sowohl die Fertigung der Einzelteile als auch deren aufwendige Finissierung extern. Eine funktionierende Zulieferstruktur ist für Pequignet insofern von großer Bedeutung.
Die Abhängigkeit von Schweizer Zulieferern ist derzeit noch relativ groß, soll aber Zug um Zug zurückgefahren werden. Wegen der vielfältigen Zulieferungen von Extern spielt für Pequignet die Qualitätssicherung im Bereich der Wareneingangskontrolle eine sehr wichtige Rolle. Hier wird mit großem Aufwand sichergestellt, dass das was bestellt, auch tatsächlich geliefert wurde. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um die vereinbarte Oberflächengüte, die Maßhaltigkeit, oder die Funktion von Unterbaugruppen handelt.
Bild: Dynamische Funktionskontrolle der Datumsschaltung
Bild: Vermessen eines Triebes auf Maßhaltigkeit
Bild: 3-D Meßmaschine mit optischer Abtastung
Der nächste im Hause Pequignet erfolgende Arbeitsschritt ist dann das Remontieren der Einzelteile des hauseigenen Manufakturkalibers “Calibre Royale”. Dies geschieht in den Ateliers im ersten Obergeschoss, wo die Uhrmacher in lichtdurchfluteten und modern eingerichteten Räumen ihrer Arbeit nachgehen.
Sauberkeit ist oberstes Gebot. Überall an den Eingangstüren liegen mit Klebstoff beschichtete Matten aus, die etwaigen Schmutz von den Schuhsohlen aufnehmen. Gelegentlich begegnete uns auch ein Saugroboter, der unentwegt den Boden abfährt und alles aufnimmt, was dort nicht hingehört.
Auch im Montageatelier hat die Qualitätskontrolle und Prüfung einzelner Funktionen einen hohen Stellenwert. Hierzu zählen z.B. ein Echappemètre, mit dessen Hilfe die Ankerhebung überprüfen und präzise einstellen lässt.
Bild: Das präzise und aufwendige Echappemètre
Weitere Einrichtungen sind eine Vorrichtung, mit der sich die Federspannung des Federhauses überprüfen lässt. Und zwar auf Gangautonomie und Linearität der Zugspannung, um die hohe Gangautonomie auch tatsächlich gewährleisten zu können.
Bild: Überprüfung der Gangautonomie und des Isochronismus
Bild: Blick auf das vormontierte und fein dekorierte Calibre Royale
Schließlich geht es dann noch darum, auch die Unruh, inkl. bereits aufgesetzter Spiralfeder auf einwandfreie Funktion (Schwingverhalten und evtl. Unwucht) zu prüfen.
Die eigentliche Werkemontage gliedert sich dabei in drei Stufen.
Die Vormontage:
Hier wird unter anderem auch der präzise Sitz die Lagersteine überprüft und nach Einsetzen eines Teils des Räderwerks das Höhenspiel gemessen und ggfs. nachjustiert.
Die Endmontage:
Hier wird das Uhrwerk komplettiert. Alle Zusatzfunktionen werden montiert, die Hemmungsbaugruppe wird eingesetzt und nach erster Inbetriebnahme und erfolgreichem Funktionstest, einschließlich einer ersten Einregulierung, wird schließlich der Aufzugsrotor aufgesetzt.
Die Reglage:
Schließlich erfolgt die exakte Feinregulierung und finale Funktionsprüfung über viele Stunden.
Das fertig montierte und freigeprüfte Uhrwerk wird erst nach Durchlaufen aller Einzelprüfungen zum Einschalen im Erdgeschoss freigegeben.
Dort werden nun alle Werke, und zwar unabhängig, ob eigenes Manufakturkaliber oder zugekauftes Automatic- oder Quartz-Werk, eingeschalt.
Auch in diesem Bereich wieder größtmögliche Sauberkeit, durch die bereits zuvor beschriebenen Maßnahmen. Zudem fällt die absolute Ordnung und logistische Präzision auf, mit der Teile gelagert und verwahrt und Aufträge abgearbeitet werden. Als Lagerverwaltungssystem dienen sogenannte Paternoster, die sehr platzsparend, große Mengen an Einzelteilen bevorraten können. Beim Betreiben eines solchen Lagers sind höchste Ordnung und Systematik eine Grundvoraussetzung.
Nach dem Montieren des Zifferblattes, Setzen der Zeiger und Einschalten ins Gehäuse durchläuft die fertige Uhr nochmals umfangreiche Prüfungen.
Neben einem ausgiebigen Test auf dem Uhrenbeweger hinsichtlich der zugesagten Gangautonomie wird selbstverständlich auch die Wasserdichtigkeit und das Gangverhalten überprüft.
Jede Uhr erhält ein individuelles Zertifikat, welches exakt auf das verbaute Uhrwerk referenziert.
Ein weiteres Leistungskriterium im Bereich der Uhrenmontage ist der ebenfalls dort ansässige Service. Uhren mit Manufakturkaliber werden ausschließlich bei Pequignet selbst gewartet. Uhren mit Quartz oder Seiko-Kaliber können hingegen bei jedem in Kundennähe befindlichen Konzessionär gewartet werden.
So stellt sich nach dem Besuch bei Pequignet rasch das wohlige Gefühl einer kleinen, jedoch außerordentlich feinen Uhrenmanufaktur ein, die hinsichtlich Arbeitsabläufe und Qualitätsverständnis höchsten Ansprüchen genügt. So ist nicht nur das Design der Uhren begeisternd, nein auch die Art und Weise, wie diese entstehen, begeistert einmal mehr und das Label „Fabriqué en France“ sorgt dazu noch für eine Extraportion Exklusivität, einer wiedererwachenden herausragenden französischen Uhrmachertradition.
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